Chor der Erste Bank


Unsere Weihnachtsfeier am Dienstag, 16. Dezember 2014
18 Uhr Proberaum

Danke Elisabeth H - herzlich Willkommen Elisabeth M

EINE FABEL 
Es war ein milder Spätsommertag, als eine bunte Schar von Sängerinnen und Sängern auf einer eintönigen Landstraße  des Weges zog.
Sie waren schon viele Stunden gegangen, da sahen sie in der Ferne eine Gestalt stehen.
Als sie näher kamen, entpuppte sie sich als kleine Frau mit roten Haaren und einem runden, fröhlichen Gesicht,
auf dem zahlreiche Sommersprossen in der Sonne leuchteten.
„Harmonische Grüße euch allen“, rief sie den Musikanten  zu. „Was führt euch hier entlang?“ 
„Wir… wir sind auf der Suche nach einem Abenteuer, einem richtig großen Abenteuer“. 
„So, so… ein richtig großes Abenteuer. Mmmmh… ich glaub, da wüsst ich was. Ein richtig großes und gefährliches Abenteuer noch dazu.“
„Jaaa, verrate es uns!“  Die Neugier der Sänger war unüberhörbar. 

„Ich“ -  und nun senkte die Rothaarige ihre Stimme – „ ich habe da gehört von einem Ungeheuer.
Es haust  in dem fernen Urwald hinter den dunklen Bergen am Horizont und wartet darauf gezähmt zu werden.“
„Gezähmt soll es werden?“–  
„Ja, gezähmt, aber nicht wie ihr euch das vorstellt, sondern -  es kann nur – und zwar nur -
durch Singen besiegt werden, durch lautes, aber auch leises und kräftiges und vor allem richtiges Singen in einer Sprache,
die die meisten von euch gar nicht verstehen.“ 
Den aufgeregten Sängern blieb kurz der Mund offen. Damit hatten sie nicht gerechnet.
„Aber wir können doch singen“.
„Ach, ihr Mutigen. Um den riesenhaften Canto General zu zähmen,
müsst ihr richtig singen lernen und außerdem viel, viel mehr werden.“  
„Dann sag uns, wo können wir richtig singen lernen? Wir wollen dem Canto General entgegen treten und ihn besiegen.“

Die Kleine mit den Sommersprossen, überrascht von so viel Entschlossenheit,
setzte fort: „Also gut, ich kenne da eine Meisterin, die euch die Kunst des richtigen Singens beibringen wird.
Aber das bedeutet üben und üben, proben und immer wieder proben. 
Ich werde euch zu ihr bringen, aber ihr müsst ein wenig Geduld mit ihr haben.“
„ Warum-Geduld?“, fragten die eifrigen Zuhörer.
„Nun, sie kommt von weit her, aus einem großen Land im Norden und ist eures eigentümlichen Dialekts noch nicht ganz mächtig.“
„ Das macht nichts, den werden wir ihr schon beibringen“, erwiderten die Sänger selbstbewusst.“
„Nun denn, dann machen wir uns auf den Weg, der Canto General wartet darauf , von uns gezähmt zu werden!“

Der Himmel über den Bergen mit dem Urwald in der Ferne schaute dunkel und bedrohlich zu ihnen herüber. 
Bald hatte die kleine zielstrebige Frau mit den roten Haaren die Sängerschar zur Meisterin gebracht. 
Auch sie war nicht sehr groß, in der Tat,  sie redete die geradlinige Sprache des Nordens  und sie erkannte sofort, wo sie den Hebel ansetzen musste.
Zum Leidwesen der Stimmbandschüler war nun große Disziplin angesagt:
zuerst wurden Arme und Beine gelockert,  dann eingesungen, dann viel Text gelernt und dann -  erst dann gesungen.
Und dazu musste immer wieder gelächelt werden.
Weiß der Teufel , wie man damit den schrecklichen  C.G. besiegen sollte.
So manchem Sänger kamen Zweifel, ob es auf diese Weise wohl gelingen würde, das gefürchtete Ungeheuer zu bezwingen.
Auch dann noch, als  es der kleinen Singmeisterin gelungen war, viele Mitstreiter herbeizuholen,
die nun wohl oder übel auch sehr fleißig proben mussten.
Aber -  sie reihten sich bald ein in die  singenden Phalanx  gegen den unheimlichen Canto.  

Die Zeit schritt voran, der Tag des großen Kampfes kam unausweichlich immer näher und näher,
die Spannung war bei allen bereits am Zerreißen,
doch ein Geheimnis hatte die Meisterin ihren Schülern noch nicht eröffnet: 
Nach vielen Wochen rückte sie damit heraus, und die Sommersprossen der kleinen Rothaarigen begannen erwartungsvoll zu leuchten.
Mit bedeutungsvoller Stimme sagte die Meisterin: „ Ihr habt  eifrig geübt und wir sind nun eine große Schar für den Kampf gegen den ungeheuren Canto  General,
aber eines brauchen wir noch:
Wir brauchen die Hilfe eines berühmten – Zauberers.
„Oooh, aaah…“ die erstaunten Sänger waren fast sprachlos, bis die ersten ihre Stimme wieder gefunden hatten und ehrfürchtig fragten: 
„Und wer ist das? Wie heißt er?“
„ Es ist - - der MAGIER VON MANK“

Erneut war ein lautes „Oooh“ zu hören.
„Nur er kann uns zum Sieg gegen den Canto General dirigieren.
Er ist es auch , der viele Mitkämpfer in seiner Gewalt hat, die er uns zur Seite stellen wird.
Sie beherrschen vielerlei Instrumente, die sie drücken, schlagen, zupfen  und streichen.“
„Und das soll uns helfen?“ Die Sänger bekamen Angst um ihre Stimmen, aber insgeheim nahmen sie sich vor,
alles zu geben, um in dem bevorstehenden Kampf bestehen zu können.

„Kommt, machen wir uns auf den Weg zum MAGIER VON MANK“.
Der Himmel über den Bergen mit dem Urwald in der Ferne schien ein wenig heller geworden zu sein. 
Er war – erstaunlich klein und sein Gefolge redete ganz ohne Ehrfurcht mit ihm, ja sie nannten ihn sogar „Poldi“.
Doch es war etwas Magisches an ihm und der Faszination seiner Sprache konnten sie sich nicht entziehen.
Außerdem hatte er einen langen Zauberstab für den großen Kampf gegen den Canto dabei.
Und in seiner Begleitung gab es noch zwei fremde, geheimnisvolle Gestalten:
Eine schlanke Muse des Gesanges und einen großen Mann in einem roten wallenden Umhang, den er Poncho nannte.
Schnell wurde den Chorsängern klar, dass beide außergewöhnlich gut singen konnten und eine große Hilfe darstellen würden im Kampf gegen den Canto.
Sie waren vor allem der Sprache kundig, in der die Streitmacht gegen das Ungeheuer ansingen musste.

Nun gab es kein Zurück mehr.
Die letzten Tage vergingen im Fluge und die Spannung wurde unerträglich. 
Endlich war er da, der Tag, an dem sie sich stark genug fühlten, und sie sich aufmachten zu den Bergen in der Ferne,
mit dem Urwald über dessen Himmel ein helles, rotes Feuer zu leuchten schien.
Bald waren sie in der grünen Hölle des Urwaldes angekommen.
Sie bewegten sich langsam vorwärts und jeder hatte seine Position eingenommen.
Der Magier hielt seinen langen Zauberstab erhoben, jederzeit bereit, das Zeichen für den Angriff zu geben.
Die Nerven aller Sänger waren dem Zerreißen nahe... 

Da – plötzlich - da stand er leibhaftig vor ihnen - der Canto General.
Er war ein vielköpfiges Ungeheuer: mit dem Drachenkamm eines Leguans, dem riesigen Schnabel eines Tukans,
dem gefräßigen Maul eines Kaimans, den reißenden Zähnen eines Jaguars,
der Geschmeidigkeit eines Pumas und nicht zuletzt dem mächtigen Schlangenkörper einer Anakonda.
Und dennoch waren in seinem Rücken auch ein Ameisenbär und Affen, Dachse, Lamas, Guanacos
und die zarten Flügel von Schmetterlingen und Kolibris zu erkennen.

Nach einer langen Schrecksekunde gab der Zauberstab des Magiers das Zeichen, und sie begannen zu singen –
wie sie es gelernt hatten- aus voller Brust und aus dem Bauch heraus.
Zuerst laut, so laut  sie nur konnten, dann aber dazwischen auch leise, oft sehr schnell,
dann wieder sehr langsam und der Text sprudelte nur so aus ihrem Mund.
Die Musikanten hingegen drückten und schlugen und zupften und strichen ihre Instrumente was das Zeug hielt. 
Unerschrocken an vorderster Front aber standen die schlanke Muse und der rote Poncho und sangen sich die Seele aus dem Leib. 

Und der Magier ? 
Der Magier war in seinem Element.
Er dirigierte mit solchem Elan, dass er beinahe von dem Pult heruntergefallen wäre, auf das er sich gestellt hatte.
Von solch großem Einsatz überrascht brüllte das Ungeheuer laut auf,
hielt aber vorerst inne und war gezwungen, der massiven Klangwolke zuzuhören. 
Dies wiederum ermunterte die Sängerschar ihren Sanges- Angriff noch zu verstärken, gleichzeitig stieg ihr Selbstvertrauen.
Und siehe da, der Canto zeigte Wirkung.
Zuerst wich er zurück und dann – dann wurde er Stück für Stück kleiner und sein Brüllen immer leiser und leiser,
bis es im Gesang des großen Chors unterging. 
Die Sänger aber ließen nicht locker und sangen angetrieben vom Zauberstab des Magiers weiter und weiter und weiter und weiter und  …. 

…als sie alle aus dem Traum erwachten
und in den strahlenden Himmel des Wiener Konzerthauses blickten,
hatten Elisabeth, Sybille  und Poldi, Julia und Sergio schon ihre Blumen bekommen
und nahmen die Standing Ovations des begeisterten Publikums mit Tränen in den Augen entgegen.
Die Wangen der Sängerinnen und Sänger glühten noch vor Begeisterung. 
Sie konnten nicht hören, wie Elisabeth Sybille ins Ohr flüsterte: „Schön war´s.  Ich aber , ich kenne schon mein nächstes Abenteuer!“   

Wien, 14.12.2014  ©Textwerkstatt Otto Tenor